Institut für angewandte Narrationsforschung (IANA)

an der Hochschule der Medien Stuttgart

Das Institut für angewandte Narrationsforschung versteht sich als interdisziplinäre Lehr-, Forschungs- und Kommunikationsplattform für anwendungsorientierte Erzähltheorie/Narratologie. Durch die Einbettung in den Kontext der Hochschule der Medien steht mediales Erzählen zwar im Mittelpunkt der Tätigkeit, doch stellt sich das Institut durch seine interdisziplinäre Ausrichtung auch explizit die Aufgabe, die Anwendung von Narrationen bzw. die Verwendung von narrativen Methoden in anderen Wissens- und Handlungsfeldern (z.B. Beratung und Therapie, Unternehmens- und Organisationsentwicklung, Organisationskommunikation, Bewerbungstraining) mit einzubeziehen. Damit will das Institut auch die in den einzelnen Wissenschaften und Anwendungsfeldern mehr oder weniger ohne Kontakt zueinander entstehenden Entwicklungen in Diskussion bringen. Im Fokus der Aktivitäten des Instituts stehen immer konkrete Anwendungsfelder und -fälle.

Wissenschaftlicher Hintergrund
Traditionell war die Erzähltheorie bzw. die Erzählforschung bei den Literaturwissenschaften angesiedelt, bzw. bei deren theoretischen Vorgängern, den Poetiken: Seit Aristoteles und verstärkt in Europa dann ab dem 17. Jahrhundert erschienen zahlreiche Poetiken (nur ein Beispiel aus Deutschland: Harsdoerfers „Poetischer Trichter“ (Nürnberg 1648-53), der dann als „Nürnberger Trichter“ sprichwörtlich wurde), die sich vor allem mit dem Drama beschäftigten. Mit dem Entstehen von Film- und Medientheorien ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts intensivierte sich auch dort die Auseinandersetzung mit der Erzähltheorie. Auf der Seite der Praktiker setzte sich die Tradition der Poetiken als „How to…“-Anleitungen fort, in Deutschland beispielsweise angefangen bei Gustav Freytags „Technik des Dramas“ (1863), im angelsächsischen Raum durch Forsters „Aspects of the Novel“ (1927), das folgenreiche Buch von Lajos Egri „The Art of dramatic writing“ (1946) sowie Joseph Campbell’s „The Hero with a Thousand Faces“ (1949). Heute ist die Zahl der Ratgeber für Roman- und Filmautoren, die das Handwerk des Erzählens lehren, Legion.

Auffallend ist, dass die anwendungsorientierten Auseinandersetzungen mit dem Erzählen (also die „Ratgeber“) und die theoretische Narratologie, wie sie vor allem in den Literaturwissenschaften betrieben wurde, sich kaum gegenseitig wahrnahmen und bis heute wahrnehmen: Weder haben theoretische Modelle wie beispielsweise Lotmans Grenzüberschreitungstheorie oder Ansätze aus dem französischen Strukturalismus (Genette, Barthes etc.) signifikanten Eingang in die Methodenlehre der Praktiker gefunden, noch sind die dramaturgischen Ausdifferenzierungen der „Praktiker“ – etwa Erzählmodelle wie die „Heldenreise“ – von den Theoretikern der Erzähltheorie breit wahrgenommen worden. Eine Ausnahme bilden in den letzten Jahren allenfalls die Film- und Medienwissenschaften, die sich auch theoretisch mit den praktisch verwendeten „Poetiken“ verstärkt auseinandersetzen – als Beispiel sei Michaela Krützens Studie zu den „Hollywooddramaturgien“ genannt. Hier kann eine Aufgabe des Instituts sein, Dialoge zwischen den theoretischen Modellen der literaturwissenschaftlichen Erzähltheorie (noch immer die Disziplin, die am meisten Theoriebildung betreibt) und den Anforderungen von Praktikern des Erzählens herzustellen.

Seit der amerikanische Kognitionspsychologe Jerome Bruner Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts einen „narrative turn“ konstatiert hat, hat sich die Auseinandersetzung mit dem Erzählen auch über die klassisch mit Narrativität befassten Disziplinen wie Literatur, Theater oder Film hinaus ausgebreitet: In Psychologie und Psychotherapie, in den Sozialwissenschaften, in Organisations- und Unternehmensberatung und im Management. In diesen Bereichen haben sich vielfältige narrative Methoden und Ansätze entwickelt – als Beispiele seine nur die Narrative Therapie nach Epston und White, narrative Interviewtechniken, die Storytelling-Analyse nach Frenzel, Müller und Sottong, die Biographieforschung und biographiebasierte Coachingmethoden genannt. In all diesen Feldern wurden und werden Anwendungen narrativer Erkenntnisse entwickelt; zu beobachten ist jedoch auch hier, dass es weder unter den Vertretern dieser Ansätze, noch mit den Erzähltheoretikern und -Praktikern aus Literatur-, Film- und Medienwissenschaft einen Austausch gibt.

Arbeitsgebiete des Instituts

  • Forschung zu konkreten Themen der angewandten Erzähltheorie
  • Förderung des Austausches zwischen Vertretern angewandter Erzähltheorie in verschiedenen Bereichen (z.B. in Kongressen)
  • Wissenschaftliche Begleitung von Projekten
  • Verbesserung und Vernetzung der Lehre an der HdM in den einschlägigen Themengebieten
  • Beratung und Fortbildung zur Anwendung narrativer Methoden in unterschiedlichen Bereichen