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Wegen der Corona-Pandemie musste das Storytelling Camp 2020 leider aus dem Metropol-Kino in einen Zoomraum verlegt werden. Nichtsdestotrotz fanden sich am 04. Dezember 2020 rund 100 Teilnehmer_innen ein, um drei spannenden Vorträgen zu lauschen. Während Dr. Martin Gebhardt, Marcel Wisler und Dave Macalimbon den Einsatz von Storytelling in dem Unternehmen adidas und der Stiftung Pro Mente Sana vorstellten, gab Philipp Knauss erste Einblicke in sein neuerschienenes Buch „Die 11 Erzählkonzepte“.

Was ist die Story? Konzepte – Inhalte – Strategien.

Zu Beginn des digitalen Camps sprach Dr. Martin Gebhardt zunächst über grundsätzlich wichtige Elemente des Storytellings in der Markenkommunikation und leitete dann zu deren Anwendung in der Kommunikation von adidas über.

Bevor er 2020 in das Brand Storytelling Team wechselte, war er acht Jahre im Bereich History Management für Kommunikation, Content und Marketing tätig. Deswegen nahm er die Zuhörer_innen mit auf eine Reise durch das Unternehmens-Archiv: Dr. Gebhardt stellte gelungene Beispiele von Geschichten in der Kommunikation von adidas vor und spannte den Bogen bis hin zu seiner aktuellen Rolle in Brand Storytelling und Kampagnenentwicklung.

Narratives Erwachen: Wie eine Stiftung ihre eigenen Schätze hebt und beginnt Geschichten zu erzählen

Die Stiftung Pro Mente Sana setzt sich seit 42 Jahren für psychisch beeinträchtigte Menschen in der Schweiz ein. Marcel Wisler, der Verantwortliche für Kommunikation bei Pro Mente Sana, thematisierte in seinem Vortrag zunächst, welche Auswirkungen psychische Erkrankungen auf die Gesellschaft haben. Jede zweite Person in der Schweiz hat in ihrem Leben mit psychischen Erschütterungen zu kämpfen – jedoch bekommt nur ein Drittel von ihnen die notwendige Unterstützung. Pro Mente Sana hat es sich zum Ziel gemacht, betroffene Menschen zu unterstützen und die Öffentlichkeit sowie die Arbeitswelt zu sensibilisieren.

Ein Beispiel, wie hier narrative Methoden zum Einsatz kommen, ist die nationale Sensibilisierungskampagne „Wie geht’s dir?“. Ziel dieser ist nicht nur aufzuklären, sondern auch Unterstützung anzubieten. Im Jahr 2020 basierte die Kampagne auf der Studie „Atlas der Emotionen“, bei der 9000 Proband_innen zu ihrem Gefühlsleben und ihrer Bereitschaft, über bestimmte Gefühle zu sprechen, befragt wurden. Die Ergebnisse wurden in ein emotionales Alphabet übersetzt und grafisch aufbereitet. Von A wie ausgebrannt über R wie ratlos bis zu Z wie zufrieden wird die Emotionswelt der Schweizer_innen abgebildet.  Dieses Alphabet wurde großflächig im öffentlichen Raum kommuniziert und diente als Basis für Workshops. Außerdem ergänzt eine App die kommunikativen Maßnahmen. Durch sie wird informiert, sensibilisiert und beim eigenen Umgang mit diesen Emotionen geholfen, so Dave Macalimbo, der maßgeblich an der Konzeption und Durchführung der Kampagne beteiligt war.

Darüber hinaus nutzt Mente Sana unter anderem Social Media, Influencer-Marketing und Erzählcafés, um den Geschichten von Betroffenen Raum zu geben und Hilfe anzubieten.

Die 11 Erzählkonzepte – Narration von Filmen entwickeln und verstehen

Nach der Mittagspause stellte Philipp Knauss sein neues System zur Analyse und Entwicklung von Narration in Filmen vor: Die 11 Erzählkonzepte. Knauss zufolge lässt sich jeder Film, neben Genre und Masterplot, auf Erzählkonzepte zurückführen. Diese Konzepte sind keineswegs eine fixe Idee des ehemaligen Produzenten und Drehbuchautoren. Sie basieren auf einer tiefgehenden Analyse zahlreicher Filme. Mindestens eines der Konzepte ist in jedem Film zu finden, der je produziert wurde und je produziert werden wir, sagt Philipp Knauss. Mischungen, fließende Übergänge oder sogar doppelt oder dreifach Belegung kommen jedoch häufig vor.

Ein bekanntes Beispiel für eine gelungene „Gewusst-Wie-Geschichte“, das erste Konzept aus Knauss‘ Buch, ist der Marsianer aus dem Jahr 2015. Der Astronaut Mark Watney ist nach einem Unfall auf dem Mars gefangen. Mit Verstand und Kompetenz muss er Lösungen finden, um zu überleben. Den Zuschauer_innen ist dabei klar, dass Mark überleben wird – das Wie sorgt jedoch für die gesamte Spannung des Films.

Die Erzählkonzepte bieten eine neue Perspektive, um Filme zu analysieren, die viel Raum für Interpretation und Diskussion bieten. Jeder kann durch sie einen Zugang finden. Das zeigte sich auch deutlich an den zahlreichen Fragen zu dem Vortrag und der lang darüber hinaus andauernden Debatte über einzelne Filme im Zoomchat.

Spontanvorträge

Um das digitale Camp abzurunden, war die Präsentation „‘Andere‘ Körper erzählen: Warum filmische Diversity mehr Normalität erzeugt, als ihr lieb ist“ von Dr. Anna Grebe geplant. Sie beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern gewisse Soll-Normen im Film miterzählt werden, obwohl die Diversität abgebildeter Charaktere steigt. Welche Norm wird mit-erzählt, damit Diversität überhaupt sichtbar wird? Kann „Normalität“ erzählt werden, ohne zu erzählen, was nicht-normal ist? Welche Rolle spielen Narrative aus den sozialen Medien? Leider musste diese spannende Diskussion wegen Krankheit ausfallen.

Stattdessen konnten die Zuhörer_innen die Chance nutzen, um eigene Storytelling-Projekte vorstellen und sich Feedback aus dem Plenum holen. In diesen Spontanpräsentationen wurden zwei völlig unterschiedliche Ideen diskutiert: ein Podcast über die Geschichte eines Fußballvereins und über den Einsatz von Storytelling im Coachingbereich.

Diese Beispiele zeigen wieder einmal, wie facettenreich die Welt des Storytellings ist und wie viel Storyteller aus verschiedenen Bereichen voneinander lernen können. Deswegen überlegen wir nach dieser spontanen Prämiere, die Vorträge aus dem Plenum als festen Bestanteil in unser Storytelling Camp aufzunehmen, um noch mehr Gedankenanstöße und Raum für Diskussion zu bieten.

Wir freuen uns sehr, dass wir unser Camp erfolgreich ins Digitale übertragen konnten. Auch wenn wir uns hoffentlich nächstes Jahr wieder live und in Farbe treffen, Geschichten erzählen können wir zum Glück auch digital.

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